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Frage gestellt jean34sup am 27 Nov 2025.
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Leonie Jungen Beantwortet am 27 Nov 2025:
Oof, das ist eine komplexe aber sehr relevante Frage! Die stellen meine Studis auch oft und ich hab bis heute keine richtig gute Antwort gefunden, aber ich versuche es mal 😬
Da stellt sich direkt die Gegenfrage: Wer hat überhaupt das Recht darüber zu urteilen, was gute Kunst ist und wer nicht?
Subjektivität spielt bei Kunst immer eine große Rolle, dementsprechend ändern sich auch die Kriterien, je nachdem wen man fragt.Ich forsche in der Erinnerungskultur und da könnte man sagen: Gute Kunst ist das, was im kulturellen Gedächtnis einer Gesellschaft erhalten bleibt. Das, was sozusagen die Zeiten übersteht, weil es dauerhaft gelesen, veröffentlicht, ausgestellt oder gespielt wird. Dann muss es ja gut sein, richtig?
Aber: Gesellschaften werden von Machthierarchien und Ideologien bestimmt und das, was vor 200 Jahren als „gut“ befunden wurde, würden wir heute vielleicht aufgrund anderer Werte- und Gütekriterien nicht mehr als solche einstufen. Man denke nur mal an den Kolonialismus und was da als „gute“ Kunst befunden wurde… 🫣
Und dann gibt es auch subversive Kunst, die die etablierten Narrative einer Gesellschaft in Frage stellt oder unterläuft. Bspw. queere Kunst. Das stellt die heteronormative Gesellschaft und ihre Werte in Frage und inspiriert im besten Fall einen Wandel hin zu mehr Diversität und Repräsentation.
Universitäten spielen als kulturelle Institutionen ebenso wie Museen eine große Rolle im Auswahlprozess, was „gute“ Kunst, also erinnerungswürdige Kunst ausmacht, indem sie einen Kanon (bspw. Klassiker der Literatur) erstellen, der dann gelehrt wird. Die Werke, die darin aufgenommen werden, sind nicht immer gut im Sinne von ästhetisch ansprechend oder gut geschrieben, aber sie haben (oft) einen gesellschaftlichen Mehrwert. Manche Romane, wie z.B. die von Jane Austen werden auch erst lange nach ihrer Veröffentlichung als „gut“ befunden und gewinnen an Popularität.
Dann gibt es aber auch wieder Stimmen, die argumentieren, dass Popularität ein Zeichen für ’seichte‘ Massenkultur ist und das kann nicht gut sein – eine sehr elitäre Sicht, die ich gar nicht vertreten kann.Jede Generation entscheidet auf’s Neue, wie sie mit dem umgeht, was ihr von der vorherigen Generation überlassen wird. Was ausgesiebt wird und was erhalten bleibt. Das ist das Schöne daran – nichts ist je in Stein gemeißelt und ist immer im Wandel 😊
Also ist gute Kunst nach meinem Verständnis die Kunst, die Dialoge inspiriert, die uns in den Austausch bringt und zusammenführt, die aber auch polarisieren und große Emotionen auslösen kann.Ich bin gespannt, was meine Kolleg:innen darüber denken, denn solche Fragen sind immer sehr komplex und darüber könnte man ein ganzes Buch schreiben. Aber vielleicht hat dir das ein paar Ideen mit auf den Weg gegeben …
Wie würdest du für dich denn gute Kunst definieren? 👀
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Daniela Schlütz Beantwortet am 28 Nov 2025:
Idealistisch würde ich sagen: Kunst ist gut, wenn sie etwas mit mir oder mit der Gesellschaft macht.
Die zynische Antwort lautet: Wenn sie sich gut verkauft. -
Lisa Weinberger Beantwortet am 28 Nov 2025:
Ich denke Kunst ist gut, wenn sie etwas in uns auslöst. Wenn sie auf Dinge aufmerksam macht, wenn sie provoziert oder irritiert. Sie kann, wie Daniela erklärt hat, eine gesellschaftliche Funktion erfüllen.
Aber auch das ist natürlich wieder sehr subjektiv.
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Max Ackermann Beantwortet am 28 Nov 2025:
Als einzelner Mensch … Da erwischt sie einen, berührt einen, sagt sie einem was, rührt etwas in einem an. Manchmal kann man es einfach nicht fassen. Zuweilen bringt sie etwas auf den Punkt, was man selbst so nicht hätte fassen können. Manchmal erklärt sie einem etwas, öffnet ein Fenster. Manchmal tut sie auch weh und schüttelt uns förmlich. Das ist sehr sehr unterschiedlich. … Gänsehaut ganz wirklich ein Indikator dafür sein, dass man etwas als „gut“ oder „relevant“ wahrnimmt.
Das Problem: Oft setzt das etwas voraus. Manchmal Vor-Erfahrungen, manchmal Wissen, Einsicht, Geduld, Respekt etc. etc. etc.
Aber darüber hinaus … Da gibt es verschiedene Kriterien und die sind nicht alle gleichermaßen gerecht oder nachvollziehbar. Und man gut darüber streiten. … Welches Werk, welcher Künstler/ welche Künstlerin hat die Geschichte der Kunst selbst verändert? Was war einmal neu? Was hat etwas in der Gesellschaft aufgenommen oder angestoßen? Was hat die Zeit überdauert (das z.B. ist oft recht zufällig)? Was wird nie langweilig (aber das hat eben auch damit zu tun, dass wir es nicht langweilig werden lassen … wollen)?
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